Hurtigrute Tag 9: Die Vesterålen

Das Tagesprogramm

Zwei Dinge gibt es zum gestrigen Abend noch zu ergänzen. Erstens kostet der Rørbua Pub jetzt wieder 50 NOK Eintritt, wenn abends wie üblich eine Band spielt. Immerhin bin ich so mal einen 50-NOK-Schein losgeworden, in einem Land, das Kreditkarte optimiert ist. Sogar das Toilettenhäuschen am Hafen von Tromsø hat mittlerweile auf Kartenzahlung umgestellt.

Und irgendwann lerne ich es vielleicht, vor Harstad den Infokanal am Telefon auszuschalten, vor allem, wenn das Wetter eh schlecht ist (sodass kein Nordlicht-Alarm droht) und es am Tromsø-Abend spät wird. So kam kurz vor 8 die Durchsage, dass wir Harstad erreichen, und um 8:15 die Mahnung, dass der Vesterålen-Ausflug jetzt beginnt und die Teilnehmer sich doch bitte am Bus einfinden sollen. Na gut, dann kann ich auch aufstehen…

Der Himmel schwankt zwischen pechschwarz und klar, und ich mache noch die Hafenausfahrt mit. Wir passieren nämlich die Trondenes-Kirche, das erste Ziel der Vesterålen-Busrundreise. Vom Schiff aus sind ein paar schöne Bilder möglich, auch wenn die Berge im Hintergrund schon in den Wolken verschwinden. Auch die Fontaine im Hafenbecken, die vor ein paar Jahren installiert wurde, ist wieder aktiv.

Während ich mich dem Frühstück widme, fahren wir durch die Wolken, die die Inselwelt der Vesterålen verbergen. Schade – eigentlich ist das eine sehr schöne Passage. Kurz vor der der Risøyrinne ist gar nichts mehr zu sehen, und am Bug steht man dann mitten im Schneesturm. Zum Glück klart es kurz vorher auf, sodass die Fahrbahnmarkierungen zu erkennen sind. Auf Deck 7 beim Interessepunkt von Roman zur Risøyrinne lässt es sich deutlich besser aushalten.

Was mir neu war: Der Sand, der die Fahrrinne immer wieder auffüllt, wird regelmäßig ausgebaggert (klar soweit – schließlich ist die Rinne nur unwesentlich tiefer als die größten Hurtigrutenschitte) und dann verkauft – teils als Dünger und teils für Wasserfilter. Wieder was gelernt, auch für alte Hasen gibt es noch neue Informationen.

Und auf den letzten Metern vor Risøyhamn bietet sich uns doch noch ein schönes Farbenspiel, die Sonne kommt durch.

Der kurze Halt in Risøyhamn reicht Arno für einen kurzen Spurt zum Königsstein auf der anderen Straßenseite, ich verfolge das von Bord aus. Über Risøyhamn selbst mit seinen gut 200 Einwohnern gibt es nicht viel zu sagen, außer dass es schön liegt.

Als wir um 11 Uhr schon wieder ablegen, wird im Konferenzraum der englische Vortrag über die nordische Mythologie nachgeholt. Hat sich gelohnt: Es geht nicht nur um die alten Götter rund um Odin, sondern auch um die Legenden der Sami rund um Stallu sowie Seemonster (und was wahrscheinlich hinter den Sichtungen steckte) und Aberglaube. Gingen einige Seeschlangensichtungen eventuell auf tote Exemplare der Gattung Giant Oarfish / Regalecus glesne zurück, die im Sturm auf den Wellen trieben und deren Verwesungsgestank auch den bestialischen Geruch erklären würde, der mit Monstern in Verbing gebracht wird? Es wäre möglich. Mir völlig neu war die Geschichte um den Trollmannen, einen Sami-Schamanen, der vor 90 oder 100 Jahren ein Hurtigrutenschiff gestoppt haben soll. Der Legende nach war er aus dem Norden und hatte schlechte Manieren, sodass der Kapitän ihn nach einem Auftritt im Speisesaal vom Schiff werfen wollte. Daraufhin ließ sich das Schiff nicht mehr steuern, obwohl die Motoren einwandfrei funktionierten. Erst als er wieder an Bord war/bleiben durfte, konnte die Fahrt weiter gehen. Und dann scheiterte der Kapitän daran, ihm zur Entschuldigung eine Flasche Bier zu spendieren – erst bekam er die Flasche nicht auf, dann konnte er nicht einschenken. Karben hieß der Trollmannen wohl. Nur mit Google finde ich nichts dazu – ein Trollmannen ist ein Zauberer, und meine erste Suche lieferte vor allem den Trollmannen frå Oz, also den Zauberer von Oz. Und der war das wohl doch nicht…

Ach doch, da ist was – Johan Kaaven, Trollmannen som stoppet Hurtigruten, der wohl von ca. 1860-1918 lebte.

Nach dem Vortrag kommt auch schon Sortland in Sicht. Der Ort wurde schon 1370 als Suortaland erwähnt und verdankt seinen Namen wohl dem Fluss Svarta. Trotzdem ist “Schwarzland” heute als blaue Stadt bekannt: Ende der 90er Jahre kam die Idee auf, Sortland zur “Blauen Stadt” zu machen und möglichst viele Häuser blau zu streichen. Die Fördermittel wurden dann vor allem von der Industrie aufgegriffen, um den Lagergebäuden einen neuen Anstrich zu verpassen.

Für uns ins Sortland vor allem deshalb interessant, weil hier die Busse der Vesterålen-Rundfahrt auf uns stoßen – und zwar schon auf der Sortlandbrua, die sie überqueren, wenn wir darunter hindurch fahren.

Zum Glück gehört die Richard With zu den Schiffen, die hier zum Winken aufrufen. Es ist immer ein großer Spaß, wenn viele vorne am Bug stehen und mit Norweger-Fahnen den Bussen zuwinken, die dann genau über uns hinweg fahren. It’s Fun!

Im Hafen sammeln wir die Ausflügler dann wieder ein, Arno und ich haben uns noch zwei Fahnen gekrallt, um auch beim Anlegen winken zu können.

Danach ist eine gute Stunde Ruhe und Zeit zum Essen, bis der nächste Hafen kommt. Die südgehende Route hat zwar keine großen Städte, aber langweilig wird es vorerst trotzdem nicht. Selbst wenn sonst nichts wäre: Auf dem Busausflug war das Wetter besser als auf dem Schiff, wir sehen Bilder von Elchen und dem Teil der Vesterålen, den man sonst nicht sieht.

In Stokmarknes ist das neue Hurtigrutenmuseum, hier ist der Gründungsort der Hurtigrute. Das Museum wird privat betrieben, Hurtigruten macht nur den Kartenvorverkauf, damit man schneller hinein kommt. Früher hat die Zeit entweder für die alte Finnmarken gelangt, oder für das Museum, und der Eintritt war deutlich günstiger. Jetzt steht das Schiff zum Glück vor weiterem Verfall geschützt in einem Schutzbau, dafür ist der Eintritt deutlich teurer geworden. Es gibt aber auch einen Hurtigruten-Ausflug mit Busfahrt, der einen längeren Museumsbesuch beinhaltet – vielleicht klappt das mal, dass ich da mitfahre.

Bei der Anfahrt liegt ein schöner Wolkenbogen über dem Museum, und im Hafen bemerke ich erstmals bewusst das große Hinweisschild an dem grauen Lagergebäude, das auf das Hurtigrutenmuseum hinweist.

Stokmarknes hat außer dem Museum nicht viel zu bieten (Sonntags erst recht nicht), und wir gehen kurz auf die nahe Straßenbrücke, um einen Blick auf Ort und Hafen zu werfen. Aus dieser Perspektive liegt die Richard With direkt neben dem Museumsgebäude. Die eine Stunde Aufenthalt langt gut für diesen Abstecher, aber nicht für wesentlich mehr.

Und dann: Eine halbe Stunde Pause! So lange dauert es nämlich bis zum Eingang des Raftsunds, der Vesterålen und Lofoten voneinander trennt. Mit dem Schnee ist das wie eine Fahrt mit dem Schiff durch die Alpen, wenn rechts und links die hohen, verschneiten Berggipfel der Inselgruppen an einem vorbei ziehen.

Bis zuletzt wird es spannend gemacht, ob wir in den Trollfjord fahren, aber abgesehen von den dicken Wolken Richtung Svolvær sind die Bedingungen optimal. Und gegen 16:30 dann die erlösende Meldung: Ja, wir machen den Abstecher zur Mündung des nur wenige Meter breiten, langen Fjords, der von hohen Bergen umsäumt ist. Im Winter können wir leider nicht hineinfahren, da das Schiff dann Lawinen auslösen könnte – die machen dem Schiff zwar nichts aus, aber den Passagieren an Deck… Daher fahren wir nur bis zur Mündung des Trollfjords, die mit Scheinwerfern beleuchtet wird. Diesmal sind die besten Plätze vorne am Bug, obwohl hinten auf Deck 7 der Trollknerz verkauft wird. Andere Schiffe fahren mit dem Heck voraus zur Mündung, da steckt kein System dahinter. Aber auch von der seitlichen Reling ist er gut genug zu sehen. Mein iPhone macht mal wieder bessere Bilder als meine “richtige” Kamera. Eigentlich eine Unverschämtheit.

Dann geht nach Svolvær. Heute Abend gibt es schon ab 17:30 Buffet, damit alle, die an Ausflügen teilnehmen, vorher etwas essen können. Das hat nur einen Nachteil: Ich überfresse mich am Nachtischbuffet. Süßkram können die Norweger wirklich.

Danach ist ein kurzer Gang in den Ort Pflicht. Das Gebäude direkt am Hafen hat auf einer Seite die Leuchtfeuer und Seefahrtsmarkierungen der Gegend aufgezeichnet. Danach komme ich immerhin zur Kirche mit den Skulpturen dahinter: Eine überlebensgroße schreitende Frau und das Auge des Nordens – letzteres schuf Jeppe Hein, während der Ursprung der Frau ungeklärt ist… Viel weiter gehe ich heute aber nicht.

Sehr frustrierend: Über uns leuchten trotz angesagten 99% Bewölkung der schöne Halbmond und zahlreiche Sterne, nur von Polarlicht ist keine Spur zu erahnen. Soviel zu Svolvær als Hauptstadt des Lichts – das Polarlichtoval gibt heute einfach nichts her. Daran ändert sich leider auch nichts, als wir später nach Stamsund weiterfahren und uns dann auf die Überfahrt über den Westfjord nach Bodø machen: Kein Grün in Sicht, jedenfalls nicht mit dem bloßen Auge. Am Heck stehen noch einige hoffnungsvolle Polarlichtjäger. Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt*.

Stamsund

Irgendwie ist diese Saison sehr zäh. Auch bei meinen beiden privaten Urlauben im Oktober und über Silvester gab es entweder schönes Polarlicht hinter dichten Wolken, oder klaren Himmel ohne Polarlicht, oder nur ein kameragrünes Band, das nur mit etwas Glück und nach langer Wartezeit die Show abgeliefert hat, die wir sehen wollen.

Wie dem auch sei, für heute mache ich Schluss. Die Überfahrt über den Westfjord dürfte nicht zu sehr wackeln, aber Polarlicht erwarte ich auch keines mehr.

Und wie es sich gehört, kommt dann kurz nach 23 Uhr noch eine WhatsApp: Polarlicht achtern. Tja… da ist tatsächlich was, die Kamera bestätigt es. Für das Auge: Sehr schwach. Wenn man weiß, dass es da ist… Um halb zwölf ist da kaum mehr als bei meinem letzten Rundgang um 22 Uhr, da kann ich endgültig Feierabend machen. Irgendwann zwischen 22 und 23 Uhr war noch etwas mehr zu sehen, aber das habe ich verpasst. Nun, zum Abschluss hier noch die magere Ausbeute:

*aber sie stirbt…

One thought on “Hurtigrute Tag 9: Die Vesterålen

  1. Die von dir beschriebene “schreitende Frau” stammt vom britischen Bildhauer Sean Henry und heißt wie du richtig erwähnst “walking woman”. *klugscheissern ende* 😉 Eine zweite Schreitende steht im Ekebergpark in Oslo (von wem ich die gräflichen Informationen wohl habe?)

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