Hurtigrute Tag 7: Kirkenes

Okay, das ist jetzt offiziell meine kälteste Tour. -23° sind für Kirkenes vorhergesagt – und als ich frühmorgens an Deck gehe, laufe ich in eine Nebelwand. Ich habe es gerade verpasst, wie die Kong Harald in ihr verschwindet. Das Meer dampft, und bis knapp über Deck 7 stecken wir im Nebel.

So kalt es auch ist: Was für ein faszinierender Anblick, und was für eine Lichtstimmung! Zum Frühstück haben wir heute offene Sitzung, das heißt, man kann prinzipiell jederzeit kommen. Ganz wie früher.

Alle Mann von Bord

Wir erreichen Kirkenes mit leichter Verspätung. Zum ersten Mal seit Jahren mache ich mal wieder einen Ausflug: Ziel ist das Schneehotel. Dabei kann man gleich noch bei den Huskies und einem Rentiergehege vorbeischauen, was das zu einem netten und relativ günstigen Ausflug macht (rund 120 € – günstig ist in Norwegen und auf der Hurtigrute relativ. Nur die großen Tafeln Freija-Schokolade sind gerade recht preiswert).

Von den 200 Passagieren an Bord verlassen uns nur die wenigstens, und es kommt auch kaum jemand neu an Bord. Wir bleiben also unter uns – in diesen Zeiten ist das gar nicht schlecht.

Zu den Huskies!

Wie üblich verlassen fast alle das Schiff und machen Ausflüge – Schlittenhunde, Schneehotel und Russische Grenze sind die beliebtesten; Snow Mobile fahren findet zurzeit nicht statt. Wahrscheinlich sind die Fjorde noch nicht ausreichend dick zugefroren, als dass die schweren Schneemobile nicht einbrechen könnten.

Aber auch so gibt es genug Angebote für jeden (sogar die Wanderung mit dem Expeditionsteam findet statt, während die Wanderung in Bodø wegen Kälte abgesagt worden war), und die Busse sind randvoll gefüllt. Auch hier schlägt der aktuelle Mangel an Busfahrern zu – einige haben sich während der Flaute der letzten zwei Jahre wohl auch neue Jobs gefunden, deshalb gibt es gerade in Honningsvåg keine Taxis zum Nordkap mehr.

Etwas mulmig ist einem ja schon, wie man dicht gedrängt im Bus sitzt. Aber bislang gab es der Kong Harald kein Corona, also sollten wir sicher sein.

Die Fahrt geht ein Stück durch die Stadt raus zum Schneehotel, unser Guide Timo erzählt zwischendurch ein wenig über Kirkenes und das Schneehotel – seit zwei Jahren schmilzt das Hotel nicht mehr im Sommer, sondern kann dank Klimaanlage das ganze Jahr über betrieben werden. Am Schneehotel angekommen erhalten wir nicht wie üblich erst im Freien die Begrüßung, sondern gehen direkt in das Hauptgebäude. Der kurze Weg langt, dass einem gut kalt wird. Das Schneehotel selbst besteht immer noch aus einem großen Iglu, in dem mehrere Zimmer mit unterschiedlichen Dekorationen sind. Zu den Betten gibt es natürlich gescheite Schlafsäcke, nur die Toilette ist im Hauptgebäude. Die Deko schwankt zwischen hübsch und kitschig, mit viel Anleihen an Disney.

Noch weit beeindruckender als das Schneehotel ist aber die winterlich-eisige Landschaft.

Bei knackiger Kälte und absolut klarer, trockener Luft wirkt das ganze sehr arktisch. Der Haken: Es ist arktisch kalt. Bei dem Besuch am Rentiergehege macht sich die Kälte in den Schuhen bemerkbar, bei den Schlittenhunden streikt meine Kamera, und als wir wieder in das Schneehotel gehen, um die Zimmer in Ruhe zu fotografieren, läuft die Kameralinse sofort an.

-27° Celsius.

Im Schneehotel gibt es noch ein heißes Getränk und ein Würstchen, und dann noch eine weitere Chance, sich auf dem Gelände umzuschauen und den Schlittenhundenfahrern beim Einlaufen zuschauen.

Dabei finden wir auch ein Thermometer: -27° Celsius. Kein Wunder, dass sich das so kalt anfühlt und alle pünktlich wieder eng zusammengekuschelt im Bus sitzen…

Auf dem Rückweg machen wir noch einen kurzen Stop bei dem Aussichtspunkt oberhalb der Stadt (also der Straßenkurve, an der ich zu Fuß schon ein paar Mal war), Fotos von Kirkenes machen.

Zehn Minuten vor der geplanten Abfahrt sind wir dann wieder am Schiff. Der Kiosk am Hafen ist heute zu, also keine Chance mehr, in den Kiosk zu schauen oder das Schiff von vorne zu fotografieren.

Also ab ins gemütliche Schiff zum Aufwärmen. Da will man gar nicht wissen, wie sich die Polarforscher in früheren Zeiten gefühlt haben, oder auch nur die Sami im Inland, wo der Golfstrom noch weiter weg ist und der Wind aus ungebremst aus Sibiren bläst…

Der Rest des Tages wird für uns entspannt: Die Überfahrt nach Vardø ist sehr ruhig und dunkel, genug Zeit, um ein paar Dinge aufzuarbeiten und zu bangen, ob wir Vardø rechtzeitig erreichen. Es wäre schön, mal wieder beim Steilneset Hexendenkmal vorbeizuschauen…

Oh Wunder: Wir legen pünktlich in Vardø an! Haben wir einen neuen Captain? Egal – das bedeutet 55 Minuten Aufenthalt, abzüglich der zehn Minuten, die man vorher wieder an Bord sein soll. Also Spikes an, raus aus dem Schiff und zügig losmarschieren. Als wir an der Festung Vardøhus ankommen, haben wir bereits alle anderen Passagiere abgehängt, und dann geht es querfeldein Richtung Steilneset. Den Tausendjahrstein finden wir in der Dunkelheit, dann nur noch rechts abbiegen und weiter Richtung Hexendenkmal: Geschafft! Nur der Türgriff fehlt am hinteren Eingang, aber wir kriegen die Tür auf. Zu viert ist das Hexendenkmal nicht ganz so eindrucksvoll wie bei meinem ersten Besuch, als ich hier alleine im Sturm war – aber eindrucksvoll ist es immer wieder. Ein Licht für jedes Opfer der Hexenverbrennung.

Einmal stracks durch das Monument und noch ein Besuch bei dem brennenden Stuhl am Ende des Steilneset, und dann zurück zum Schiff. Ein Blick auf die Uhr: Wenn man den Weg kennt, ist das Steilneset also in 35 Minuten machbar – gut, dass ich bei besserer Sicht schon ein paar Mal üben konnte. Uff. Wir hätten sogar noch fünf Minuten länger bleiben können:-)

Pünktlich zum Ablegen hält Andreas einen Vortrag über Norwegen von A bis Å, der auch fast pünktlich zum Abendessen fertig ist. Beim Abendessen gibt es News: Es gibt neue, alte Corona-Regeln. Heute gab es zu Frühstück und Mittagessen erstmals freie Essenszeiten, ab morgen gelten wieder feste Essenszeiten, verstärkte Maskenpflicht und ein Limit von 50 Personen pro Vortragsraum. Es gilt, mehr Abstand zu halten, auch der Alkoholausschank ist eingeschränkt.

Anschließend heißt es Polarlichtwache, der Himmel ist sternklar – dummerweise ist es auch ziemlich windig. Aber es lohnt sich: Nach Båtsfjord wird es interessant. Der Kp-Index dümpelt zwischen 0 und 1, aber ab 21 Uhr bildet sich der berühmte grüne Bogen, und das Polarlicht entwickelt sich. Was die Sache unangenehm macht: Gestern hatten wir das Polarlicht genau hinter uns und standen so windgeschützt am Heck der Kong Harald. Jetzt fahren wir in die andere Richtung und haben das Polarlicht vor uns. Am Heck ist es daher bei dem kalten Wind einigermaßen erträglich, während man es am Bug nicht aushält.

An Deck tummeln sich die üblichen Verdächtigen (weniger als ein Dutzend), und irgendwann zieht es einige doch an den Bug, wo die Action ist – ich montiere meine Nikon vorne an der Reling, bevor ich mich wieder zurückziehe und mich darauf beschränke, alle 20-30 Minuten die Serienbilder neu zu starten. Nach 8991 Bilder ist leider Schluss mit einer Aufnahmesequenz. Meiner kleinen Panasonic gönne ich heute Ruhe – die verträgt die Kälte nicht so gut.

Als ich meine Kamera nach eineinhalb Stunden abbauen will und vorne an den Bug gehe, entscheide ich mich um: Es sieht doch noch einmal gut aus.

Letztlich harren wir bis kurz nach 22 Uhr am Heck aus, bis das Polarlicht eine wirklich schöne Aktivität zeigt – ziemlich genau dann, als wir Berlevåg anlaufen sollten, allerdings lassen wir diesen Hafen heute aus. Dann packen Volker und ich es, als die Polarlichtaktivität wieder nachlässt. Meine Schätzung ist, dass es im weiteren Verlauf der Nacht immer wieder kleinere Ausbrüche geben wird, und ansonsten ein eher ruhiges Band – es ist einfach zu wenig Materie unterwegs, als dass man sagen könnte, wann es wieder losgeht.

Also gehen wir wieder rein, um kurz darauf von Anja herausgeholt zu werden: Jetzt gibt das Polarlicht sich noch einmal ein paar Minuten Mühe und bedeckt fast den ganzen Himmel. Chic. Gut, dass meine Kamera noch vorne arbeitet…

Gerade einmal acht Minuten dauert die Show, vom unscheinbaren Band über einen flammenden Himmel wieder zum unscheinbaren Band.

Dann machen wir endgültig Feierabend: Es ist zwar mittlerweile nur noch knapp über 10° unter Null, aber langsam ist man doch durchgefroren, und der Wind treibt uns zurück. Eine letzte Herausforderung noch: Meine Kamera demontieren, bei heftigem Seitenwind. Aber sie geht nicht über Bord, und die lange Nacht der Bildbearbeitung beginnt. Eigentlich macht mein Rechner das automatisch über Nacht, aber allmählich ist die ganze Technik am Ende: Die Panasonic streikt immer wieder mal, LRTimelapse musste ich schon neu installieren, Lightroom importiert keine Videos mehr, meine Handykamera wird vom Rechner nicht mehr erkannt, und um halb eins macht mein Computer dann auch noch Feierabend und beendet den Bilderexport selbstherrlich. Nur die Nikon ist ein perfektes Arbeitspferd, da hat nur ein Ersatz-Akku den Lockdown nicht überstanden. Das Video wird daher erst am Donnerstagabend fertig – aber ich komme auch erst am Donnerstagabend zum bloggen, daher hier das Ergebnis:

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