Island im Dezember: Von Selfoss bis Vik und zurück

Ab nach Island!

Nach zwei anstrengenden Hurtigrutentouren war es mal wieder Zeit für Urlaub – was liegt da näher als fünf Tage Island?

Klar, prompt kam die Frage auf, was ich da im Dezember will – Island im Regen? Nun, kalt war es jedenfalls nicht: Während in Süddeutschland Nebel und Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschten, lockte Island mit rund 8 Grad über Null und Spuren der Polarnacht. Also nichts wie hin. Nach den Erfahrungen mit Eurowings (null Beinfreiheit) im Mai wurde diesmal Icelandair gebucht, die einen wesentlich komfortableren Flug ab Frankfurt boten. Der Flieger startete gegen Mittag, was auch ganz angenehm war. Zur Begrüßung lief Weihnachtsmusik… bei rund vier Stunden Flugzeit hätte ich mir ein paar Kopfhörer für das Bord-Entertainment einpacken sollen; von den kurzen Flügen nach Norwegen bin ich das nicht mehr gewohnt. Aber was soll’s, es war genug Platz, um den Laptop auszupacken und etwas zu arbeiten.

Island im Weihnachtsfieber

Der Flughafen Keflavik ist Anfang Dezember schon ganz auf Weihnachten getrimmt. Den Yule-Lads (Jólasveinar oder Weihnachtsgesellen) war ich ja schon im Mai in Dimmuborgir begegnet, jetzt haben sie ihre Hochzeit.

Für Grýla und ihre Sprösslinge bleibt aber keine Zeit: Der Mietwagen muss abgeholt werden, was gar nicht so leicht war. Sixt Island will nichts von der online gebuchten Vollkasko wissen, von dem kostenlosen Zweitfahrer genauso wenig, aber dafür um so mehr von dem Tankpackage – egal, wie viel Benzin am Ende noch im Auto ist, Sixt tankt für 95 Euro voll. Auch wenn nur ein paar Liter fehlen. Zumindest das hat die gute Dame beherrscht; mal sehen, ob der Posten mittlerweile wieder von meiner Kreditkartenabrechnung verschwunden ist. Immerhin gabs wieder einen SsangYong Rexton, wie beim letzten Mal. Mit dem ging’s dann ab nach Selfoss, ins Hotel.

Schweinebauch im Tryggvaskali

Das heutige Tagesziel: Abendessen. Teuer, aber richtig gut. Im Trygvasskali waren wir ja schon im Mai, aber viel öfter als einmal pro Tour kann man sich das auch kaum leisten, wenn man aus einem Billiglohnland wie Deutschland kommt. Aber es war jede Krone wert (wobei ich diesmal gar kein Bargeld dabei hatte – Kreditkarte langt, wenn das Limit hoch genug gesetzt ist). Ein Geheimtipp ist das Restaurant wohl schon lange nicht mehr, schmecken tut es trotzdem.

Diesmal war auch genug Zeit, um einmal durch Selfoss zu schlendern. Ausreichend trockene Phasen gab es auch, und somit konnten ein paar Kalorien wieder abtrainiert werden. Mit Brücke, Kirche und jeder Menge Weihnachtsbeleuchtung dürften alle wichtigen Sehenswürdigkeiten des 6500-Einwohner-Orts abgedeckt sein… Faszinierend: Vor den Gräbern auf dem Friedhof stehen beleuchtete Kreuze, und eine wilde Verkabelung überzieht den Gottesacker. Diesen Weihnachtsschmuck hätte ich wirklich nicht erwartet.

Wie erwartet gilt: Kein Foto ohne Stativ, ein paar nette Fotos sind dabei dann doch herausgekommen. Kein schlechter Start, und eine gute Gelegenheit, um den ersten halben Tag auf Island zu beenden.

Sólheimasandur – dieser Weg führt zur DC-3

Der zweite Tag auf Island hat volles Programm, wenn auch wenig neues. Selfoss ist nämlich ein schöner Stützpunkt, aber bei weitem nicht das einzige Ziel auf Island. Auf der Rundreise im Mai war zu wenig Zeit, um das Flugzeugwrack an der Südküste zu besuchen, also sollten die fünf Stunden Tageslicht (plus Dämmerung), die Anfang Dezember zur Verfügung stehen, für Trip nach Vik und zurück genutzt werden. Das Wrack am Sólheimasandur-Strand ist mittlerweile nur noch zu Fuß zu erreichen, seit der Strand für Fahrzeuge gesperrt ist. Rund vier Kilometer führt der Weg durch das Ödland des schwarzen Strands, komplett ohne Schutz vor Wind. Und ich habe meinen Windmesser im Hotel vergessen…

Ein veritabler Sturm gibt uns Seitenwind und treibt Regen wie auch Sand vor sich her. Bestes Wanderwetter ist was anderes, aber immerhin ist es kein Starkregen. Was mögen sich die Leute gedacht haben, die 1973 mit dem Flugzeug hier wegen Treibstoffmangel und Vereisung notlandeten? Wohl irgendwas zwischen Gott sei Dank und Oh Mist.

Die Fahrtpiste führt fast geradlinig durch die Landschaft und lässt kein Ziel erkennen, erst kurz vor der Maschine macht sie eine leichte Kurve, und das graue Wrack lässt sich auf dem schwarzen Sand vor dem grauen Himmel erahnen. Nur der Rumpf ist noch von der alten DC-3 vorhanden und bietet ein eindrucksvolles Fotomotiv – und, viel wichtiger, etwas Schutz vor Wind und Regen.

Im Dezember sind wir auch fast die einzigen Touristen, die kurz vor 11 Uhr den ehemaligen Flieger aufsuchen. Die düsteren Wolken geben natürlich kein perfektes Foto-Licht, aber sie verleihen der Absturzstelle eine ganz besonders düstere Stimmung. Der Regen tut dazu sein übriges… Nächster Halt ist daher Vik mit dem Werksshop von Icewear. Die Chance, durchnässte Sachen gegen neue auszutauschen. Aber auch diesmal spricht mich nichts aus dem Sortiment an.

Von Vik bietet sich ein hübscher Blick zurück auf Kap Dyrhólaey und die Gesteinsformation der Reynisdrangar, die aus dem Meer ragen. Das Sightseeing vom letzten Mal machen wir nun in umgekehrter Reihenfolge und steuern nun die Black Beach an. Der Wind hat deutlich zugenommen und treibt die schwarzen Kiesel über den Strand. Natur pur, da merkt, dass man lebt. Und sandgestrahlt wird; eine dickere Hose wäre kein Fehler gewesen…

Auch auf dem Parkplatz macht der Wind sich bemerkbar: In Ruhe im Auto frühstücken ist kaum möglich, die Windböen wackeln so am Auto, dass sogar die Kaffeetasse überschwappt. Aber ehrlich gesagt macht das viel mehr Spaß als ein ruhiger Tag mit blauem Himmel.

Der Leuchtturm auf Dyrhólaey

Bevor die Sonnenstunden vorbei sind, stehen noch ein paar Wasserfälle auf dem Programm. Der Leuchtturm auf dem Kap muss zuvor natürlich auch noch besucht werden, trotz oder gerade wegen des Sturms. Die Fahrt auf den Berg kommt mir entspannter vor als vor einem halben Jahr, die Straße wurde wohl über den Sommer ausgebaut. Da oben bläst der Wind bei weitem nicht so extrem wie erwartet; trotzdem sollte man die Autotüre gut festhalten, wenn man sie öffnet.

Der Abstecher zum Sólheimajökull ist eine kurze und nasse Angelegenheit – prinzipiell kann man hier bis zum Fuß des Gletschers gehen, aber nur, wenn man dem Starkregen trotzen will. Ich muss ja nicht alles machen, daher gibt’s hier keine Foto. Island hat sich von seiner nasseren Seite gezeigt…

Wasser ist ein gutes Stichwort: Der nächste Halt ist der mächtige, 60 Meter hohe Skógafoss. Mittlerweile reißt sogar die Bewölkung auf, und die Wolken schimmern rot in der untergehenden Sonne – immerhin ist schon fast 16 Uhr. Nur rund ein Dutzend Autos parkt am Wasserfall, kein Vergleich zur Nebensaison im Mai. Dafür bleibt diesmal keine Zeit, um die schmale Treppe zu erklimmen, die am Wasserfall entlang führt. Also gibt es heute nur ein paar nasse Fotos vom Fuß des Skógafoss.

Seljalandsfoss

Weiter geht’s zum Seljalandsfoss, dem berühmten Wasserfall, hinter dem man hindurchgehen kann. Wer das noch nicht getan hat, nutzt die Gelegenheit, während ich – ganz ohne Filter – mal wieder Langzeitaufnahmen von Wasserfällen übe. Macht sich immer gut, und für kurze Belichtungszeiten ist es ohnehin schon zu dunkel, auch wenn er künstlich beleuchtet wird…

Trotzdem geht es anschließend noch ein paar Meter bis zum Gljúfrabúi, der verborgen in einer Spalte liegt. Ich hätte meine Schuhe nach dem Starkregen in Ålesund neulich doch noch neu imprägnieren sollen… aber der Anblick ist schon das Risiko für ein paar nasse Füße wert. Mit Taschenlampen gibt es auch genug Licht für ein paar Fotos dieses geheimnisvollen Wasserfalls.

Mittlerweile ist auch der Mond aufgegangen, und wir machen noch eine Stopp am Seljalandsfoss. Der Mond steht wunderschön über der Felskante, direkt über dem künstlich angeleuchteten Wasserfall: Fototime!

So machen Wasserfälle Spaß.

Durch die Nacht ging’s dann weiter nach Selfoss ins Hotel. Die Chinesen, die mit uns im Hotel sind, werden auf einmal unruhig: Hinter dem Hotel ist ein Polarlichtbogen zusehen. Aber wir sind noch weit vom Zentrum des Polarlichtovals entfernt, und die Wetterprognose ist auch nicht schlecht – also gehen wir erst einmal Pizza essen, die Nacht könnte lang werden.

First Light

Gegen 21 Uhr ziehen wir dann los, hunting the light. Das Problem: Windytv, Yr und die anderen Wetterprognosen haben eine etwas andere Definition von 13% Bewölkung als wir. Mit etwas Glück gibt es ein paar Wolkenlücken in der ansonsten geschlossenen Wolkendecke, durch die das Grün durchschimmert. Dabei ist durchaus Aktivität vorhanden. Zumindest ein paar Minuten können wir das Polarlicht beobachten, irgendwo in der isländischen Pampa.

Warten auf Wolkenlücken

Auf der Suche nach klarem Himmel fahren wir dann weiter, fast bis zum Þingvallavatn, dem See am Þingvellir. Irgendwo finden wir sogar einen hübschen Ort, an dem das Licht eine schöne Kulisse hätte.

Wenn die Wolken nicht wären.

Nach einer guten Stunde ist dann Kapitulation angesagt: Die leichte Bewölkung ist jetzt komplett zugezogen, und die Wetterprognose sieht auch schlecht aus. Wir hätten doch den ersten Grünschimmer in Selfoss nehmen sollen. Auf Polarlichtexpeditionen sollten keine Leute mitkommen, denen regelmäßige Mahlzeiten wichtig sind, oder die nicht von Keksen und Schokolade leben wollen…

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