Mittlerweile haben wir den ersten November, und die Reise neigt sich langsam dem Ende zu. Vorher geht es aber noch durch die beeindruckende Inselwelt von Lofoten und Vesterålen. Wer will, kann die Bus-Tour durch die Vesterålen machen und so auch der Trondenes-Kirche einen Besuch abstatten. Sie ist die älteste Steinkirche Norwegens und hat einen freistehenden kleinen Glockenturm, in ihrer Nähe gibt es ein hübsches Museum.
Oder man genießt einfach die Fahrt durch die Inseln und durch die Risøyrinne. Dieser Kanal ist von oben unscheinbar und nur durch die von Kormoranen besiedelten Fahrbahnmarkierungen zu erkennen. Kaum zu glauben, dass wir hier nur eine Handbreit Wasser unter dem Kiel haben.
In Risøyhamn am Ende der Rinne erinnert der “Königsstein” an die Eröffnung des Fahrtwegs. Er ist mit einem kleinen Spurt leicht zu erreichen: Runter vom Schiff auf die andere Straßenseite und ein paar Meter nach links. Bei einer Viertelstunde planmäßigem Aufenthalt klappt das aber nur, wenn die Gangway beim ersten Versuch ausgeklappt wird und man auch von Bord gelassen wird. Diesmal wird Wert darauf gelegt, dass man 10 Minuten vor Abfahrt wieder an Bord ist, und da das Anlegen zu lange dauert (mit der Frachtluke klappt das deutlich besser – die ersten Autos fahren schon an Bord, bevor die Gangway in ihrer richtigen Position ist), kann der Stein diesmal nur vom Schiff aus besichtigt werden. Schade.
Eineinhalb Stunden später erreichen wir dann Sortland, die blaue Stadt. Die Finnmarken macht ihrem Ruf als Vergnügungsdampfer wieder einmal alle Ehre: Alle werden an den Bug gebeten, und wer kein Handtuch dabei hat, wird mit Flaggen, Ballons, Müllsäcken oder Transparenten zum Winken ausgestattet. Wie immer überqueren die Busse mit den Teilnehmern der Vesterålen-Rundfahrt die Sortland-Brücke genau dann im Kriechtempo, wenn das Schiff darunter hindurch fährt. In Sortland sammeln wir dann die drei Ausflugsbusse wieder ein, und die Fahrt geht weiter Richtung Süden, nach Stockmarknes, dem Geburtsort der Hurtigrute.
Mit den letzten Strahlen der Abendsonne erreichen wir den Ort und nutzen die Zeit für ein spontanes Gruppenfoto an Bord, bevor es in das Hurtigrutenmuseum geht. Da das Museum nicht zur Hurtigrute gehört, sondern privat betrieben wird, kostet es Eintritt. In den letzten Jahren gab es immer wieder verschiedene Regelungen: Mal war der Besuch im Reisepreis inbegriffen, mal kostet es extra. Es ist schade, dass der Eigner von Hurtigruten jetzt ein britischer Finanzinvestor ist, der wohl eher an Geld als an der Tradition interessiert ist.
Das Museum kann die Eintrittsgelder jedenfalls gut gebrauchen: Das mächtigste Ausstellungsstück ist die alte Finnmarken, die an Land liegt und den Elementen ausgeliefert ist. Am Bug fehlen einige Buchstaben des Namens, im April war er noch vollständig. Traurig, aber ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Der einstündige Aufenthalt reicht entweder für Museum oder Schiff; am besten schaut man sich zuerst das Schiff an.
Mittlerweile liegt das Mittagessen auch schon wieder zweieinhalb Stunden zurück, daher werden auf Deck Waffeln angeboten, und der “magische Trolltrunk”. Der Grund: Wir fahren nun in den Raftsund mit dem berühmten Trollfjord. Um 16 Uhr beginnt diese eindrucksvolle Passage, und gegen 17 Uhr steht der Trollfjord auf dem Programm. Dank der Zeitumstellung ist es nun leider schon recht dunkel, und bis zuletzt ist unklar, ob der Kapitän noch genug sieht, um in den Trollfjord hineinzufahren.
Es ist ohnehin eng mit dem Timing: Auf dieser Fahrt haben wir vier Sitzungen für das Abendessen, die mit einer halben Stunde Versatz anfangen, damit schneller serviert werden kann. Normalerweise geht es um 18:30 los, unsere Sitzung wäre dann um 19 Uhr. Damit alle zu den Ausflügen in Svolvær können, gibt es diesmal nur zwei Sitzungen um 17:15 und 20:30. Aber egal, wenn wir in den Trollfjord fahren, will ich das sehen.
Und kurz vor der Mündung dann die Durchsage: Wir gehen rein!
Das Schiff schiebt sich langsam in den Fjord, und an Bord herrscht andächtiges Schweigen. Genau so stellt man sich einen Fjord vor: Eng, steile Wände, ruhiges Wasser.
Am Ende des Fjords steht ein Turbinenhaus, das seit 1960 einen Wasserfall zur Stromerzeugung nutzt – also daher stammt das Licht, das man im Winter immer im Fjord schimmern sieht.
Am Ende des Fjords dreht das Schiff dann auf der Stelle und setzt unter dem Applaus der Passagiere seine Reise fort. Wow. Für die Ausfahrt bleibt uns an Deck leider keine Zeit, das Abendessen ruft. So wie es aussieht, sind wir für diese Saison das letzte Schiff, das in den Trollfjord fährt: Die Polarlys am nächsten Tag fuhr wegen Sicht und Lawinengefahr schon nicht mehr hinein.
In Svolvær gehe ich dann etwas später von Bord, diesmal bleibt es nur bei einem kurzen Blick in den Anker, die urige Kneipe im Scandic-Hotel. Dafür zeigt Eckehard uns noch einen weiteren verborgenen Schatz: Ein großes Gemälde der Schlacht am Trollfjord im Scandic-Hotel, bei dem traditionelle und moderne Fischer sich in die Haare geraten waren.
Ein kleiner Spaziergang durch Svolvær lohnt sich immer, und die Galerie von Dagfinn Backe (der die Karikaturen im Treppenhaus der Finnmarken gezeichnet hat und auch das Denkmal der Fischerfrau am Hafeneingang geschaffen hat) ist wohl ebenfalls geöffnet. Da bin ich aber zu spät, sie steht erst am Ende meines Rundgangs.
Zurück auf dem Schiff gibt es klaren Himmel, aber alle Prognosen deuten auf eine ruhige, polarlichtfreie Nacht hin. Außer dem üblichen Grünschimmer am Horizont ist nichts zu erwarten. Heute dürfen wir wohl einmal früh ins Bett.
So weit die Theorie.
Bei der Schiffsbegegnung mit der Trollfjord kurz vor 21 Uhr ist tatsächlich noch alles ruhig, und nicht einmal die übliche Party an Deck steigt.
Kurz vor 23 Uhr gehe ich dann aber noch einmal an Deck, ein paar Sternbilder erklären, und kurz darauf beginnt ein tolles Feuerwerk. Wahnsinn, sogar vom recht hellen Oberdeck aus. Jetzt zeigt die Aurora noch einmal, was sie kann, und tanzt, bis die Wolken kommen.
Zum Glück bleiben wir noch länger an Deck, denn gegen Mitternacht kommt die nächste Wolkenlücke, passend zur nächsten großen Show. Diesmal verpasse ich das Maximum, da ich kurz unter Deck bin, aber es ist und bleibt beeindruckend. Volker erlebt die Show im Dunklen am Bug, ich verbringe sie auf Deck 8.
Es ist immer wieder faszinierend, und man gewöhnt sich nie daran. Aber irgendwann werden die Jubelrufe weniger, und man nickt der Aurora eher zu, wie einer guten alten Freundin, und genießt den Abend. Dieser Abend bot das volle Programm, mit schnellen, flatternden Bändern, hellen Streifen und einem breiten, von senkrechten Abschnitten unterteilten Band. Das ist die Show, wegen der immer mehr Menschen diese Fahrten öfters unternehmen, und der einen in seinen Bann zieht.
Was für eine Nacht!