Hurtigrute Tag 7: Kirkenes

Einmalige Chance: Vadsø

Irgendwie ist mein Schlafrhythmus durch den Nordlicht-Mangel komplett durcheinander geraten: Ich bin bereits um 7 Uhr wach und habe tatsächlich mal wieder die Chance, Vadsø zu sehen. Freunde der Luftschifffahrt kennen die Stadt als Startpunkt von Nordpol-Expeditionen mit dem Zeppelin, Hurtigrutenfahrer wissen, dass die Schiffe hier nur auf der nordgehenden Route anhalten – den Weg nach Kirkenes finden auch genügend normale Schiffe, da müssen wir nicht zweimal am selben Tag vorbei kommen.

Viel interessanter ist der nächste Hafen: Kirkenes, der Wendepunkt der Reise. Die nordgehende Hurtigrute ist schon wieder ein ganzes Stück südwärts gefahren, wir sind wieder etwa auf der Höhe von Tromsø. Den Golfstrom haben wir somit hinter uns gelassen, und einige Eisschollen treiben uns entgegen. Minus zehn Grad sind für Kirkenes angesagt, obwohl es mir wärmer vorkommt. Zum Glück geht kein Wind.

Eisschollen vor Kirkenes

Die Zeit bis zum Hafen vertreibe ich mir mit Fotos (das Wetter sieht gut aus, die Eisschollen auch) und der Reiseleiter-Sprechstunde, während das Restaurant gut gefüllt ist: Wer in Kirkenes Hundeschlitten fahren oder zur russischen Grenze will, sollte das Frühstück vor der Ankunft um 9 Uhr erledigen. Nach Abfahrt der Ausflügler ist es dann angenehm ruhig im Frühstücksraum.

Etwas später brechen Margit und ich in die Stadt auf, diesmal auf einer ungewohnten Route: Statt nach rechts in die City führen uns unsere Schritte nach links, zu dem Aussichtspunkt am Fjellveien. Danach trennen sich unsere Wege: Sie geht weiter zum Grenselandmuseum, während ich direkt auf die Innenstadt zuhalte.

Kirkenes-Panorama

Das Eisgericht

Bis der Schnee schmilzt, hat Kirkenes noch eine besondere Attraktion: Das Eisgericht hinter dem Scandic-Hotel. Im Rahmen des Barents-Festivals wurde hier in einem Kunstprojekt den Politikern der Prozess gemacht, die ohne Rücksicht auf die Natur die Bodenschätze ausbeuten wollen. Dazu wurde ein Gerichtsstand aus Eis erbaut, und das Urteil dieses Schauprozesses fiel eindeutig zugunsten der Natur aus. Es ist aber nur rein symbolisch, die wahren Kämpfe werden in Oslo ausgetragen. Da die Erzmine wieder einmal geschlossen ist, hat das natürlich an Bedeutung gewonnen.

Danach steht noch ein kleiner Bummel durch die Stadt an: Marktplatz, Rathaus und über die Anders-Grotte zurück zum Schiff. Bei einer der beiden Kirchturmuhren hängen nun beide Zeiger traurig nach unten, und einer scheint abgebrochen zu sein.

Vardø

Die Überfahrt nach Vardø ab halb eins ist etwas holprig, und wir erreichen die Stadt mit gut einer halben Stunde Verspätung statt der üblichen 15 Minuten. Mit guter Fahrt, aber ohne Beschleunigen und Bremsen ist die Strecke wohl in der angegebenen Zeit zu schaffen – keine Ahnung, warum der Fahrplan nie realistischer ausgelegt wurde.

Auch wenn wir erst um 17 Uhr wieder ablegen, bleibt in Vardø natürlich keine Zeit, um zum Hexendenkmal zu spurten – 40 Minuten sind etwas zu sportlich. Während das Expeditionsteam über die Straße zur nahe gelegenen Festung wandert, schaue ich mir einmal das Eismeerbaden in der Barentssee an.

Eismeerbaden

Es gibt tatsächlich eine ganze Reihe Unverfrorener, die kurz in das Becken im Hafen hüpfen. Ganz ehrlich: Das muss ich nicht mitmachen. Aber wer es mag… rund ein Dutzend Gäste machen mit und erwerben sich so die kostenlose (!) Urkunde.

Anschließend ist Hans mit unserem vierten Vortrag dran, diesmal am Puls der Zeit: Expoplaneten, auf der Suche nach der zweiten Erde. Auf dem Gebiet hat sich in den letzten 20 Jahren ja unheimlich viel getan. Dann heißt es auch schon wieder Anstehen zum Abendessen, und in Anbetracht der Wetterprognose den Abend ruhig ausklingen lassen. Als nächster Programmpunkt steht eigentlich nur die Begegnung mit der Finnmarken vor Berlevåg an. Also noch einmal entspannen, bevor es morgen vor Tromsø hoffentlich die große Show gibt.

Nur dass wir etwa um 20:40 eine Wolkenlücke und wirklich schönes Polarlicht haben. Im dritten Anlauf schaffen Hans und ich es sogar, das Schiff dazu zu bringen, nicht nur die Außenbeleuchtung samt Schornstein auszuschalten, sondern auch die Heizstrahler, die überraschend hell sind.

Was soll ich sagen: Wow. Der Himmel ist bei weitem nicht völlig klar, aber die Show hat rechts und über dem Schiff mit einem hellen Band begonnen, das auch deutlich geisterhaft grün war. Die Aktivität verlagerte sich langsam hinter das stark schwankende Schiff und verschwand hinter den Wolken – zwischen denen es dann auf einmal deutlich grün aufblitzte. Und dann war über uns genug Wolkenlücke, um die Aurora tanzen zu sehen, in Grün ebenso wie in Rot und Violett. Das hätte ich bei diesem Wetter wirklich nicht erwartet. Aber jetzt können alle, die an Deck waren, wirklich sagen, dass sie Polarlicht gesehen haben. Bis kurz vor Berlevåg können wir die Show genießen, dann ist der Himmel wieder weitestgehend zugezogen.

Die Finnmarken

Mit dem Ende der Show und dem Einlaufen in Berlevåg gab es endlich auch die Chance, sicher wieder ins Schiff zurückzukehren – es hatte doch ordentlich geschwankt.

Ach ja, Finnmarken war auch noch: Wie gewohnt ging sie fast auf Kollisionskurs, aber an Deck war nicht viel los. Ich würde sagen, die Winkekonkurransje ging unentschieden aus. War trotzdem schön, bevor es in das nächste Schneegestöber ging.

Tag 7: Kirkenes, Eismeerbaden und etwas grünes Licht

Im Hafen von Kirkenes

Im Hafen von Kirkenes

Schon ist eine Woche vergangen, und mit Kirkenes haben wir den Wendepunkt der Reise erreicht. Bislang war ich nur einmal in der kleinen Stadt – wenn ich zum ersten Mal auf einem Schiff bin, nutze ich den Aufenthalt gerne, um das Schiff zu fotografieren. Schließlich gibt es im Winter genug Ausflüge, sodass kaum noch Passagiere an Bord sind, und viele verlassen das Schiff auch hier.

Im Rückblick hätte ich doch ruhig nach Kirkenes gehen sollen: Die Stadt hatte Barents-Festival und Markt, es war also richtig was los. Aber egal, auch so war der Vormittag gut ausgefüllt. Statt der üblichen Abfahrt um 12:30 blieb das Schiff sogar bis 13:00 im Hafen – eventuell wegen der vielen Ausflügler, die letzten Busse kamen von der Hundeschlittenfahrt erst kurz vor 13 Uhr zurück. Für einen kleinen Gang zum nächsten Rema 1000 langt die Zeit, auch wenn es umgezogen ist. Dabei gibt es schöne Fotomöglichkeiten für das Schiff, und auch der Kiosk direkt am Kai (in dem auch eine Station für die Tax Refunds ist)ist immer einen Blick wert. Alleine der süße Huskyschlitten am Eingang ist schon einen Blick wert.

Die weitere Fahrt verläuft ruhig: Der nächste Hafen ist Vardø, das planmäßig um 15:45 angelaufen werden sollte. Die Überfahrt ist ruhig und bietet genug Zeit für die Sprechstunde und die Vorbereitung des nächsten Vortrags. Ansonsten ist Entspannung angesagt – im Vortragsraum läuft ein Film über Vardø und den Pomorenhandel mit Russland (in drei Stunden um 14:45, 15:15 und 15:45 – da ist wohl schon eine spätere Ankunft in Vardø eingeplant), um die Zeit zu überbrücken.

Durch die spätere Abfahrt kommen wir natürlich auch erst später in Vardø an. Irgendwann auf der Fahrt wird angekündigt, dass wir bis 17 Uhr bleiben würden, was Hoffnung macht, dass wir vielleicht doch eine ganze Stunde in dem Städtchen zur Verfügung haben könnten. Als wir um 16:00 am Ausgang stehen, kommt die Durchsage, dass wir doch erst gegen 16:15 ankommen. Damit können wir den Besuch beim Hexendenkmal auch wieder beerdigen: Mette gibt über ihren geliebten Bordfunk bekannt, dass bitte alle zehn Minuten vor Abfahrt wieder an Bord sein sollen und bewirbt trotzdem den Besuch bei der Festung Vardøhus – aber bei weniger als einer halben Stunde frei verfügbarer Zeit ist schon das knapp, schließlich muss man ja auch erst einmal von Bord kommen. Die Zeiten, an denen einfach die Gangway an das Schiff gelegt wurde, sind vorbei, und die moderne Technik braucht etwas länger. Ich möchte es wirklich einmal erleben, dass wir pünktlich in Vardø ankommen und eine volle Stunde Zeit haben. Schauen wir uns also das Eismeerbaden an.

Bei dem knappen Zeitfenster beobachten wir auch das Eismeerbaden nur vom Schiff aus. Das Plantschbecken ist direkt am Kai, und Eis haben wir auf dem Deck auch. Der Norweger hat ein entspanntes Verhältnis zum Eis und weiß, dass es glatt ist, dementsprechend sind nur ein paar Wege an Deck eisfrei. Eigentlich seltsam, dass nur beim Verlassen des Schiffs zum Tragen von Spikes aufgerufen wird… Ein paar Mutige finden sich immer, die in die Barentssee springen; einen längeren Aufenthalt macht aber keiner – schließlich muss das Schiff gleich weiter.

Polarlicht!

Polarlicht!

Kurz nach der Abfahrt ist Marcus mit unserem vorletzten Vortrag dran. Ein paar leichte Schläge während der Vortrags zeigen an, dass wir auf offener See sind, aber im großen Ganzen bleibt es ruhig genug. Das Abendessen schließt dann auch schon direkt an unsere Reise durch das Sonnensystem an. Der nächste Halt ist Båtsfjord, und wir liegen am Rand einer Wolkendecke. Ein klassischer Fall von immer mal wieder rausschauen, ob wir Wolkenlücken haben. Kurz vor Berlevåg ist es dann so weit: Der Himmel reißt ausreichend weit auf, und ein schönes Band ist kurzzeitig zu sehen. Zwischen der Durchsage des Schiffs und der Einsatzbereitschaft der Kameras vergeht natürlich etwas Zeit, sodass die schönsten Momente kaum auf die SD-Karten gebannt werden können.

Quer durch den Großen Wagen.

Quer durch den Großen Wagen.

Es ist nicht die größte Show, aber bei dem Kampf gegen die Wolken der letzten Tage ist man ja froh über alles – und da die Trollfjord recht ruhig vor dem Hafen liegt, bleibt auch genug Zeit, um zu fotografieren. Ein Polarlicht quer durch den Großen Wagen hat auch seinen Reiz, auch wenn es visuell schon wieder recht schwach ist.

Der Rest der Nacht verläuft leider wieder unter Wolken, aber einmal ausschlafen ist auch kein Fehler.