Der 13. Januar führt uns über den Polarkreis und nach Bodø. Von der Polarkreisüberquerung bekomme ich bis auf das Getute des Schiffshorns nichts mit. Keine Ahnung, wann wir das zwischen 6:30 und 8:00 geschafft hatten. Im Januar ist es um diese Uhrzeit aber ohnehin noch dunkel, sodass die Kugel auf der Insel nicht viel hergibt. Wenn ich mir das Tagesprogramm anschaue, wurde auch der Versuch aufgegeben, im Winter im Dunkeln Sekt zu diesem Ereignis anzubieten. Letzten Januar war außer der Crew auch praktisch niemand an Deck.
Ich führe stattdessen eine neue Tradition ein: Ich verschlafe das Frühstück, schließlich bin ich wegen dem Polarlicht hier – da ist die Zeit um Mitternacht am interessantesten. Prinzipiell hätte es sogar noch zum Frühstück gereicht, aber Ørnes ist ein netter kleiner Hafen, den ich immer gerne fotografiere: Hübsche Holzhäuser in einer Postkartenkulisse – der Anblick ist so typisch für Norwegen-Klischees, dass einem das keiner glaubt, der es nicht selbst gesehen hat.
Kurz darauf steht die Polarkreistaufe an: Eis für alle, aber nur in den Nacken. Zum Auftauen gibt es dann noch einen Grog oder ähnliches hinterher. Das ist immer ein Riesenspaß, diesmal windgeschützt an Deck 8 zwischen Panoramasalon und Schornstein. Wer will, kann sich zu Auftauen auch an die Lüftungsschlitze des Schornsteins stellen – ein praktisches Feature der Finnmarken. King Neptune verkündet den Gewinner des Polarkreiswettbewerbs (wer schätzt die Abfahrtszeit am genauesten?), erledigt seine kalte Pflicht und steht dann für Erinnerungsfotos zur Verfügung. Anschließend beginnt der Poststempel- und Polarkreisbriefmarkenverkauf. Die Hurtigrutenschiffe führen ja immer noch die Postflagge, auch wenn sie schon lange keine Briefe mehr transportieren, aber ein paar Privilegien sind noch erhalten. Dabei merkt man, dass die Finnmarken eher Kreuzfahrtschiff ist als die mittlere Schiffsgeneration: Wo auf der Nordkapp der Postmeister eher einsam Wache hielt, wird er hier fast überrannt.
Beim Mittagessen gibt es schon wieder Zeitdruck: Die 34 Häfen auf der Route wollen abgearbeitet werden, und in Bodø lohnt sich das Aussteigen. Zum Glück ist es nicht ganz so windig wie befürchtet, manchmal ist der Weg vom Hafen in die Stadt sehr unangenehm. Die Stadtverwaltung plant angeblich Wasserkanonen am Hafen, um die Schiffe zu begrüßen – wahrscheinlich wollen die, dass alle im Schiff bleiben, statt sich Bodø anzuschauen… Aber auch ohne Wasserspiele ist die Landschaft vor Bodø einfach grandios, und das Wetter spielt auch mit.
Bodø selbst braucht einige Zeit, um seinen Reiz zu entfalten: Im Krieg weitestgehend zerstört, dominiert moderne Architektur. Aber sie hat ihre schönen Stellen, die Norweger können auch moderne Architektur. Wir machen nur einen Kurzausflug: Das Restaurant auf dem Dach des Scandic-Hotels bietet leckere Heiße Schokolade und einen grandiosen Blick über die Stadt; ein Kellner schließt uns auch die Tür zu dem Rundgang auf.
Der Rückweg führt an der Gamle Salten (“Alte Salten”) vorbei, die direkt am Hotel liegt und einst als Salten auf der Hurtigrute unterwegs war, sowie an Walfängern und dem Coop, einkaufen. Nur ein paar Meter vom Scandic Richtung Schiff liegt auch das Salmon Center mit Informationen zu Lachsfang und -verarbeitung – leider recht gut hinter Bauzäunen verborgen.
An Bord ist kaum Zeit zum Verschnaufen: Reiseleiter Heinz und der Chefkoch präsentieren um 14:30 – also noch im Hafen – drei der über 5000 Kartoffelarten und fordern auf, sie in Zukunft mit Respekt zu verzehren. Norwegen ist ja eh verrückt nach Kartoffeln, da passt es, dass es einmal Geschmacksproben verschiedener Sorten gibt.
Abfahrt ist um 15:00, eine halbe Stunde steht unser dritter Vortrag an. Wir legen die Vorträge nach Möglichkeit so, dass sie nicht mit Häfen oder Schiffsveranstaltungen kollidieren, aber das ist nicht immer ganz leicht. Die Termine auf Seestrecken werden so gewählt, dass es möglichst wenig Wellengang gibt – wobei wir auf dieser Fahrt wieder einen echten Ententeich haben, so ruhig war die Fahrt bislang selten.
Eine andere Tradition, die ich gerne pflege, ist das Lofotr Wikingerfest. Aber die Wetter- und Polarlichtvorhersage ist vielversprechend, daher lassen wir diese Veranstaltung diesmal ausfallen und besuche den Wikingerkönig hoffentlich im Februar auf der nächsten Tour. Stattdessen legen wir die Strecke zwischen Stamsund und Svolvær mit dem Schiff zurück und können über Svolvær tatsächlich einen schönen, wenn auch nicht zu intensiven Bogen von Polarlicht beobachten. Sehr chic und schon “echtes” Polarlicht, aber noch nicht die große Show, auf die wir alle hoffen.
Nächstes Highlight, kurz vor dem Hafen von Svolvær: Schiffsbegegnung mit der Kong Harald. Wegen Polarlicht sind bei uns einige an Bord, als die Kong Harald an uns vorbei zieht. Eine Vinkekonkuransje ist das aber nicht: Nebenan ist fast niemand an Bord, und kurz nachdem sie an uns vorbei ist, gehen auch alle Lichter aus.
Ekkehard nutz die letzten Minuten vor Svolvaer, um uns auf eine ganz berühmte Kirche hinzuweisen (die diesmal im Dunkeln liegt), und versucht es dann mit dem tollen Denkmal von Dagfinn Bakke für die Fischerfrauen das an der Hafeneinfahrt von Svolvær steht und sich ebenfalls im Dunkeln verbirgt. Norwegen spürt den fallenden Ölpreis ja deutlich (eine ganze Reihe von Schiffen wurde stillgelegt, was sich in den Arbeitslosenzahlen bemerkbar macht), vielleicht wird ja jetzt auf einmal Strom gespart?
Egal, im Raftsund gibt es wieder lecker Fiskekake zu essen und heißen Trollfjordknert zu kaufen (und man kann die Tasse behalten!), und der Trollfjord wird schön beleuchtet. Ich muss fairerweise sagen, dass das die beste Show war, die ich bislang hatte: Wir sind ziemlich nah an der Mündung, und der Kapitän leuchtet den Trollfjord gut aus. Dabei hilft natürlich, dass die Finnmarken einen begehbaren Bug hat: Sowohl von dort als auch vom Panoramasalon aus sind die steilen Wände schön zu sehen. Ein schöner Tagesausklang, und einer der Gäste gibt mir auch noch andere Hustenbonbons für meine Stimme – langsam kommt sie wieder.
Polarlichter zeigen sich keine mehr, und so endet der Tag recht früh.